Vollzug des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) hier: Widerruf von Allgemeinverfügungen des Landkreises Mittelsachsen

21.03.2021

Der Landkreis Mittelsachsen erlässt auf der Grundlage des § 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142), das durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 503) geändert worden ist, (SächsVwVfZG) i. V. m. § 49 Abs. 1 und Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 25 des Gesetzes vom 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846) geändert worden ist, (VwVfG) und § 8c Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom 05. März 2021 (SächsGVBl. S. 287) folgende

                                       A l l g e m e i n v e r f ü g u n g

1. Folgende Allgemeinverfügungen des Landkreises Mittelsachsen werden mit Wirkung ab 23. März 2021, 0 Uhr widerrufen:

a.) die Allgemeinverfügung über die Öffnung von geschlossenen Einrichtungen des Einzel- und Großhandels und von Ladengeschäften vom 08. März 2021, Ausgabe 45/2021e des Amtsblattes des Landkreises Mittelsachsen,

b.) die Allgemeinverfügung über Individualsport vom 08. März 2021, Ausgabe 46/2021e des Amtsblattes des Landkreises Mittelsachsen, und

c.) die Allgemeinverfügung über die Öffnung von Betrieben im Bereich der körpernahen Dienstleistung vom 08. März 2021, Ausgabe 47/2021e des Amtsblattes des Landkreises Mittelsachsen.

2. Diese Allgemeinverfügung gilt mit Ablauf des 22. März 2021 als bekannt gegeben. Sie tritt daher am 23. März 2021 um 0 Uhr in Kraft.

                                                                                 Gründe:

                                                                                       I.

Am 19. März 2021 lag die Anzahl der Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen mit dem Coronavirus auf 100 000 Einwohner des Landkreises Mittelsachsen (Sieben-Tage-Inzidenzwert) ausweislich des Robert Koch-Instituts bei 101,9, am 20. März 2021 bei 115,8 und am 21. März 2021 bei 128,6.

Beim Coronavirus (SARS-CoV-2) handelt es sich gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 44a IfSG um einen meldepflichtigen Krankheitserreger, der die gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. t IfSG meldepflichtige Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) auslöst.

Die Möglichkeit zur umfassenden, gründlichen und schnellen Unterbrechung von Infektionsketten durch die Nachverfolgung von Kontakten infizierter Personen (Kontaktnachverfolgung) nimmt für den öffentlichen Gesundheitsdienst mit steigender Zahl der Kontaktpersonen wesentlich ab. Der Landkreis Mittelsachsen muss derzeit bereits auf Bedienstete der Bundeswehr und weiterer Institutionen zur Kontaktnachverfolgung zurückgreifen (Stand: 21.03.2021).

Mit den unter Nummer 1 genannten Allgemeinverfügungen des Landkreises Mittelsachsen ließ der Landkreis Mittelsachsen aufgrund § 8 Abs. 1 der zur Bekämpfung des Coronavirus erlassenen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung abweichend von den Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung die Öffnung verschiedener Einrichtungen und Betriebe unter Auflagen sowie in gewissen Grenzen Individualsport zu.

                                                                                       II.

Zu Nummer 1 dieser Allgemeinverfügung:

Die Anordnungen der Nummer 1 finden ihre Rechtsgrundlagen in § 1 SächsVwVfZG, § 49 Abs. 1 und Abs. 4 VwVfG. Hiernach kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Der Zeitpunkt, in welchem der widerrufene Verwaltungsakt unwirksam wird, kann hierbei bestimmt werden.

Mit den unter Nummer 1 genannten Allgemeinverfügungen des Landkreises Mittelsachsen ließ der Landkreis Mittelsachsen aufgrund § 8 Abs. 1 der zur Bekämpfung des Coronavirus erlassenen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung abweichend von den Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung die Öffnung verschiedener Einrichtungen und Betriebe unter Auflagen sowie in gewissen Grenzen Individualsport zu. Der Landkreis Mittelsachsen erließ damit rechtmäßige nicht begünstigende Verwaltungsakte.

Voraussetzung für solche Abweichungen war nach § 8 Abs. 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung, dass der Sieben-Tage-Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus auf 100 000 Einwohner im Freistaat Sachsen und im Landkreis Mittelsachsen an fünf Tagen in Folge unterschritten war. Diese Abweichungen sind gemäß § 8c Abs. 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung zurückzunehmen, wenn der Sieben-Tage-Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus auf 100 000 Einwohner im Landkreis Mittelsachsen an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten ist.

Am 19. März 2021 lag der Sieben-Tage-Inzidenzwert bei 101,9, am 20. März 2021 bei 115,8 und am 21. März 2021 bei 128,6, sodass der Sieben-Tage-Inzidenzwert im Landkreis Mittelsachsen an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Wert von 100 überschritten hat.

Mithin sind die Abweichungen gemäß § 8c Abs. 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung zurückzunehmen, was mit dem unter Nummer 1 angeordneten Widerrufen geschieht. Dem Landkreis Mittelsachsen steht insoweit kein Ermessen zu.

Der Widerruf der unter Nummer 1 genannten Allgemeinverfügungen ist nichtsdestotrotz verhältnismäßig.

Denn gegenüber der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG überwiegt die sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebende Pflicht des Staates zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung. Angesichts der gestiegenen Infektionsgefahren im Landkreis Mittelsachsen, welche sich in den o. g. Sieben-Tage-Inzidenzwerten über dem Wert von 100 im Landkreis Mittelsachsen an drei Tagen in Folge widerspiegeln, und mit Blick auf die mit dem Coronavirus einhergehenden Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit ist ein Abweichen von den Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung nicht mehr vertretbar.

In dieser Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der in § 28a Abs. 3 S. 5 des Infektionsschutzgesetzes (lfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBI. 1 S. 1045), zuletzt geändert durch Artikel 4a des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBI. I S. 3136), genannte Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen pro 100.000 Einwohner, welcher die Ergreifung umfangreicher Schutzmaßnahmen verlangt, um mehr als das Doppelte überschritten ist.

Hinzu kommt, dass die Möglichkeit zur umfassenden, gründlichen und schnellen Unterbrechung von Infektionsketten durch die Nachverfolgung von Kontakten infizierter Personen (Kontaktnachverfolgung) – und somit eine Eindämmung des Infektionsgeschehens im Falle eines Ausbruchs von SARS-CoV-2 durch entsprechende Maßnahmen gegenüber Kontaktpersonen von Infizierten (insbesondere durch eine Absonderung nach § 30 IfSG) – für den öffentlichen Gesundheitsdienst mit steigender Zahl der Kontaktpersonen wesentlich abnimmt. Die Anzahl an Kontaktpersonen steigt in der Regel mit der Anzahl an Neuinfektionen. Die derzeit hohe Anzahl an Neuinfektionen spiegelt sich in den o. g. Sieben-Tage-Inzidenzwerten wider.

Darüber hinaus wurde in sämtlichen der unter Nummer 1 dieser Allgemeinverfügung genannten Allgemeinverfügungen der Widerruf vorbehalten, sodass kein entgegenstehender Vertrauensschutz besteht.

Zu Nummer 2 dieser Allgemeinverfügung:

Die Anordnung der Bekanntgabe in Nummer 2 dieser Allgemeinverfügung beruht auf § 1 SächsVwVfZG, §§ 41 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4; 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG.

Eine Allgemeinverfügung wird gem. § 1 SächsVwVfZG, § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie bekanntgegeben wurde.

Diese Allgemeinverfügung wird öffentlich bekannt gegeben. Eine Allgemeinverfügung darf gemäß § 1 SächsVwVfZG, § 41 Abs. 3 S. 2 VwVfG öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Eine Bekanntgabe an die Beteiligten ist untunlich, wenn die individuelle Bekanntgabe der Allgemeinverfügung wegen der Natur der Sache der Allgemeinverfügung nicht möglich ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 41, Rn. 46). Vorliegend kann diese Allgemeinverfügung nicht individuell bekannt gegeben werden, da aufgrund der Ortsbezogenheit dieser Verfügung der Personenkreis der Beteiligten nicht bestimmt werden kann.

Die öffentliche Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung wird gem. § 1 SächsVwVfZG, § 41 Abs. 4 S. 1 VwVfG dadurch bewirkt, dass ihr verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. Die ortsübliche Bekanntmachung erfolgt gemäß §§ 1, 4 der Satzung über die Form der öffentlichen Bekanntmachung und der ortsüblichen Bekanntgabe vom 15. Juni 2017 (Bekanntmachungssatzung des Landkreises Mittelsachsen). Die Allgemeinverfügung kann auf der Internetseite des Landkreises Mittelsachsen unter www.landkreis-mittelsachsen.de/amtsblatt eingesehen werden.

Der Zeitpunkt der Bekanntgabe war zu bestimmen. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe gilt eine Allgemeinverfügung gem. § 1 SächsVwVfZG, § 41 Abs. 4 S. 3 VwVfG erst zwei Wochen nach ihrer ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben, sofern nicht ein abweichender Termin zur Vollendung der Bekanntgabe gem. § 1 SächsVwVfZG, § 41 Abs. 4 S. 4 VwVfG bestimmt wird, der jedoch frühestens auf den auf die Bekanntmachung folgenden Tag bestimmt werden kann. Die Bestimmung eines früheren Zeitpunkts der Bekanntgabe war hier erforderlich, da anderenfalls der Zweck der Allgemeinverfügung, eine auf die aktuelle Infektionslage abgestimmte Regelung zu schaffen, unterlaufen würde. Zudem ordnet § 8c Abs. 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung die Aufhebung der Abweichungen ab dem zweiten Werktag nach der Überschreitung des Sieben-Tage-Inzidenzwerts von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus auf 100 000 Einwohner im Landkreis Mittelsachsen an drei aufeinanderfolgenden Tagen an. Diese Anordnung kann nur durch die Bestimmung des unter Nummer 2 genannten Zeitpunkts erfüllt werden. Die Angabe des Inkrafttretens dient der Vermeidung von Rechtsunsicherheiten.

Freiberg, den 21.03.2021

                                                                                                           (Siegel)

Matthias Damm

Landrat